Heute möchte ich beschreiben, was ich mit dem Wort „Christus“ verbinde. Dabei soll auch deutlich werden, weshalb ich meine, dass Christus oder das Christliche in einem unkonfessionellen Sinne betrachtet (also unabhängig von Dogmen, größerer oder kleinerer Kirchenorganisationen) mit Naturspiritualität vereinbar ist.
Aufgewachsen bin ich christlich und habe nie daran gedacht, dass sich mein Gottesbegriff ändern oder entwickeln könnte. Die Trinität: Vater, Sohn und Heiliger Geist waren für mich der nicht hinterfragte dreifache Ausdruck des einen Gottes. Allerdings ist es nicht ganz richtig, wenn ich schreibe „nicht hinterfragt“, denn die Einordnung des Heiligen Geistes gelang mir nicht: Wenn der Vater-Gott die Welt erschaffen hat und seinen Sohn zu den Menschen sandte, was hat dann noch der Heilige Geist zu tun? Das lebte schon lange als Frage in mir, und der Hinweis, dass der Heilige Geist das Weibliche der Gottheit repräsentieren könnte, half mir zunächst auch nicht weiter, fügte sich aber später überraschend gut in die Entwicklung meines aktuellen Gottesbegriffs ein.
Es ist anregend, über Gott nachzudenken
Bevor ich weiterschreibe, möchte ich betonen, dass ich hier nichts verfasse, damit es jemand anderes glaubt! Für mich ist es anregend, über Gott nachzudenken. Wenn ich dieses Nachdenken hier öffentlich mache, ist dabei meine Intention, dass Du, wenn Du es liest, auch ins Nachdenken über Deinen Gottesbegriff kommst oder Deinen Gott sogar spürst und Dir meine Gedanken dabei zur Anregung dienen.
Außerdem stellt das hier Dargestellte den heutigen Stand meines Nachdenkens dar. Es ist nicht auszuschließen, dass ich später andere Gesichtspunkte finde und dann diesen Text erweitern oder ändern muss.
Sicher ist auch schon jemand vor mir auf die Idee gekommen, Gott so zu denken. Bisher kannte ich derartige Ausführungen nicht, stieß aber bei Recherchen zu diesen Ausführungen auf Baruch de Spinoza, der zu dem Schluss kam, dass alles, was ist, Gott ist1.
Meine Gedanken über das Göttliche beziehen diese Ansicht mit ein, allerdings komme ich auf anderem Wege dazu und führe es anschließend weiter aus:
Gott
In der Genesis des Alten Testaments heißt es: Im Anfang schuf Gott…2
Gott ist also, bevor es etwas Geschaffenes gab, es kann also nichts gegeben haben – außer Gott. Der Begriff „Gott“ ist der Ausdruck für das, was war, bevor etwas in irgendeiner Weise Erfassbares entstand. Mir erscheint es sehr passend, dass dieser Gott keinen Namen haben konnte3, so unfassbar, wie dieses Sein dem Denken eines Menschen erscheinen muss. Der Vorstellung entzieht sich das ohnehin.
Diesem Ur-Göttlichen kann auch kein Geschlecht zugewiesen werden, denn wenn ich sagen würde, es ist der Vater, dann muss es auch eine Mutter geben, sonst macht der Begriff „Vater“ keinen Sinn, und auch „Mutter“ macht ohne einen Vater keinen Sinn. Bei dem Ur-Göttlichen, muss es sich also um ein Sein handeln, ohne jede Differenzierung.
Diese entsteht aber im Folgenden:
Himmel und Erde
Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde…
„Himmel und Erde“ sehe ich an dieser Stelle als eine Einheit, die im Fortgang der Ereignisse alle Schöpfung empfängt. Alle Differenzierung, die im weiteren Verlauf der Schöpfung passiert, geschieht in diesem Bereich „Himmel und Erde“, der sich von seiner Entstehung an vom Ur-Göttlichen unterscheidet, ohne außerhalb von diesem zu sein. Schließlich kann es keinen Ort außerhalb des Ur-Göttlichen geben, wenn es das einzige war, was es gab, bevor etwas entstand.
Es gibt nun also ein schöpfendes Prinzip – die Ur-Gottheit, die das Entstehen aller weiteren Existenz anregt. Ins Sein tritt alles Weitere im Bereich „Himmel und Erde“.
Wenn das dem kleinen Menschlein auffällt, dann mag Freude aufkommen, denn es gibt endlich etwas, das Orientierung bietet und das aus dem Leben auf der Erde bekannt ist: einen Organismus, in dem Neues entsteht, angeregt durch einen anderen Organismus: Das wird gewöhnlich Mutter und Vater genannt.
An dieser Stelle erscheint es mir wesentlich, zu betonen, dass Gott nicht ein Geschlecht zugewiesen werden kann, weil das Göttliche weiblich oder männlich wäre, sondern, weil sich der Mensch um Orientierung bemüht und dem unfassbaren Göttlichen einen männlichen – Gott-Vater – und einen weiblichen – Gaia – Charakter zuschreibt.
Das Göttliche in verschiedenen Kulturen
Deshalb erscheint es mir auch als legitim, dass das Göttliche in verschiedenen Kulturen, in verschiedenen Religionen, auf verschiedenen Kontinenten unterschiedliche Namen hat. Es kann sogar unterschiedlich charakterisiert werden, da es sich immer „nur“ um die Annäherung an das unfassbare Göttliche mit dem menschlichen Verstand handeln kann. Dies geschieht am geeignetsten mit einem Begriff oder Symbol, das für den betreffenden Menschen eine geeignete Orientierung bietet.
Wenn sich Menschen finden, die bereit sind, miteinander über ihr Verständnis von Gott zu sprechen, kann das eine Bereicherung für alle Beteiligten sein, denn durch die unterschiedlichen Perspektiven, aus denen das Göttliche betrachtet wird, kann sich der Blick, der Gottesbegriff aller Beteiligter weiten.
Erneut möchte ich von dem Gottesbegriff ausgehen, der das Sein vor aller Existenz bezeichnet: Da es nichts gab, konnte es auch keinen Gedanken, kein Empfinden, keine Tätigkeit gegeben haben. Nur Gott. Sobald Gott etwas tut, denkt, empfindet (sind dies zum einen menschliche Zuschreibungen, zum anderen) entsteht etwas Neues. Gott ist also unendliches Sein und Kreativität, Schöpfung an sich. Er kann nicht anders, sein Tun ist die Erschaffung von Existenz.
Gott sah, dass es gut war
Gott liebt das Geschaffene, und wenn sich diese Liebe auf den Menschen richtet, den Gott nach seinem Bild erschuf(!), entsteht notwendig etwas Neues. Dieses hat Anteil am Vater-Göttlichen, denn es ist seine Liebe, dieses hat Anteil am Mutter-Göttlichen, an Gaia (oder Dana oder …), denn nur in ihr kann es entstehen, und es hat Anteil am Menschlichen, denn dies ist der Fokus der Gottheit in diesem Fall.
Letzteres scheint mir wesentlich bei der Betrachtung des Gesamtzusammenhangs zu sein: Die Genesis in der Bibel hat ein zentrales Thema und das ist die Erschaffung des Menschen. Diese soll erklärt werden, schließlich ist der Mensch der Adressat der Bibel und darüber hinaus aller Erklärungsversuche der Weltentstehung. Ich habe den Eindruck, dass der Mensch sich selbst leicht vergisst, wenn über die großen Zusammenhänge des Seins nachgedacht wird. Dabei ist er das zentrale Thema. Auch wenn der Mensch über die Existenz von Mikroben forscht oder nachdenkt, wäre dies gegenstandslos ohne ihn.
Die Liebe Gottes ist meiner Anschauung nach das dritte Prinzip, die allumfassende Göttlichkeit zu beschreiben:
- Der Anlass, dass etwas entsteht oder existiert,
- das Entstehen an sich oder der Ort des Entstehens und Existierens,
- die Liebe dazu. Sie ist die Verbindung der ersten beiden Prinzipien, ohne die sie nicht gemeinsam auftreten könnten. Das ist nicht optional: Wenn der Begriff „Liebe“ zu emotional erscheint, könnte ich das dritte Prinzip sogar reduzieren auf den Zusammenhalt des ersten und zweiten Prinzips, die Tatsache, dass sie miteinander und ineinander bestehen können.
Wenn ich das Göttliche so betrachte, meine ich sagen zu können, dass diese drei Prinzipien alle und alles betreffen, ohne, dass diese Verallgemeinerung jemanden in seiner Glaubensfreiheit beschränken würde. Schließlich bin ich mir dessen bewusst, dass dieses Gottesbild aus meinem Nachdenken, das durch alles, was ich in meinem Leben erfahren habe, geprägt ist, entstand und ein anderer Mensch aufgrund seines Lebenszusammenhangs auf andere Erklärungsmuster kommen kann oder gar muss.
Zuletzt möchte ich die gerade aus meiner Perspektive maximal geweitete Betrachtung nochmals persönlich fokussieren:
Ich neige dazu, das dritte Prinzip als Liebe Gottes zu bezeichnen und noch mehr: Wie ich es oben hergeleitet habe, hat dieses dritte Prinzip Anteil am Schöpfergöttlichen, Anteil am Muttergöttlichen und Anteil am Menschlichen und letztlich an aller Existenz.
Diese allumfassende Liebe Gottes nenne ich Christus.
Wie ich diese Anschauung des Christus zu dem in einem Stall geborenen Jesus oder zu dem am Kreuz gestorbenen Gott in Beziehung setze, schildere ich zu gegebener Zeit. In den folgenden Blogbeiträgen, möchte ich jahreszeitliche und andere Themen ansprechen.
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1 https://youtu.be/a8-1AQRE-Ps?si=GSxuPKOen7OsCETr [18.10.2025]
2 1. Mose 1,1
